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Hamster and the City

Wenn dieser Tage die Temperaturen sinken, sollten die meisten Tierarten längst damit fertig sein, ihre Nahrungsvorräte für den Winter zu "hamstern". Was aber machen die Hamster selbst (Cricetus cricetus), wenn die kalte Jahreszeit kommt? Jetzt, im November, schlafen sie schon den wohlverdienten Winterschlaf.

Doch für Hamster heißt das nicht, dass sie ihren Körper in einen "Standby-Modus" versetzen, der durchgehend von Herbst bis Frühling dauert. Sie unterbrechen vielmehr im Lauf des Winters öfters den Schlaf, um zu fressen. Deshalb müssen sie im doppelten Sinne "hamstern": Einerseits legen sie Fettreserven am Körper an, andererseits sorgen sie für reichlich Nahrungsreserven, die in Vorratskammern gespeichert werden. In den vielen Aufwachphasen während der kalten Jahreszeit verschmausen die Tiere bis zu drei Kilogramm in ihrem Bau.

Je besser haltbar die Vorräte sind, umso höher sind die Überlebenschancen der Tiere. Claudia Franceschini, Verhaltensforscherin an der Uni Wien, erklärt, dass dies wohl eines der Hauptprobleme von Feldhamstern in Wien ist: genug unverderbliches Futter zu horten, um die Speisekammer für die lange Winterzeit richtig zu füllen. Über 60 Prozent der überwinternden Feldhamster wachen nicht mehr auf, egal ob jung oder alt, ob Weibchen oder Männchen. Würden sie Getreide, Mais oder Nüsse statt Gräser und Beeren einlagern, könnten ihre Überlebenschancen steigen.

In Wien forscht man seit über fünf Jahren, gefördert durch Projekte des FWF und der ÖAW, an der Population von Feldhamstern. Im Department für Verhaltenswissenschaften (Uni Wien, Zoologie) erkunden derzeit sechs Forscherinnen die Biologie dieser kleinen Nager. Franceschini, unter der Betreuung von Eva Millesi, war die erste, die sich solch einer Frage annahm. Damals ging man der bis dahin unerforschten Population der Feldhamster im 10. Bezirk, Wien-Favoriten, auf den Grund.

Nicht vielen ist bekannt, dass diese Tiere sogar in urbanen Gebieten vorkommen und hier dauerhafte Populationen gebildet haben. Die sind sogar sehr erfolgreich: Während man in vergleichsweise naturbelasseneren Gebieten Populationen mit nur drei Individuen pro Hektar findet, konnte Franceschini eine sehr hohe "Bevölkerungsdichte" der Hamster im Wiener Stadtgebiet mit bis zu 35 Individuen pro Hektar aufzeigen. Um die Frage nach der Anpassung der Tiere an urbane Gegebenheiten zu lösen, wurden zwei Standorte in Wien verglichen: ein dicht besiedeltes Gebiet rund um die Kundratstraße und das Naherholungsgebiet Wienerberg. Ergebnis: Die Hamster bilden sowohl hier wie dort dichte Populationen, sie lassen sich von menschlicher Besiedlung wenig beeinträchtigen. Doch wurden an beiden Standorten sehr hohe Wintersterblichkeiten festgestellt.

Eine wichtige Frage war daher: Welche Möglichkeiten hat ein Hamster, um möglichst viele überlebensfähige Junge während der Sommermonate in die Welt zu setzen? Das ist ja die Grundfrage der Evolutionsbiologie: Wie bringt man möglichst viele Gene in die nächste Generation? Franceschini untersuchte nun fünf Jahre lang die Fortpflanzungsstrategien der Feldhamster. "Innerhalb der Population herrscht eine große Streuung in dem Zeitpunkt des Frühlingserwachens", erklärt sie. Manche Tiere sind schon Mitte März wieder über der Erde zu sehen, während andere Individuen bis Anfang Mai weiterschlafen.

Männchen sind im Schnitt früher wach als Weibchen und legen stark an Körpergewicht zu, bevor sie mit der Fortpflanzung beginnen. Bei Weibchen zeigte sich jedoch, dass die Frühaufsteherinnen sehr früh beginnen, für Nachwuchs zu sorgen. Die ersten Paarungen konnte Franceschini schon Ende April beobachten. Nach zirka drei Wochen Tragzeit wirft ein Hamsterweibchen im Schnitt vier bis fünf Junge.

Nun müssen die Jungen gesäugt werden - doch das Weibchen wird sofort wieder empfängnisbereit. Im Sinn der Maximierung des Fortpflanzungserfolgs verfolgen Hamsterweibchen die Strategie, dass sie sich sofort wieder verpaaren und die Säugung des ersten Wurfes mit der Tragzeit des zweiten Wurfes überlappen. Dieser hohe Aufwand ist wichtig, um den zweiten Wurf so bald wie möglich in die Welt zu setzen. Nur so können die Jungtiere im Weiteren fit für den Winter gemacht werden. Würde der letzte Wurf erst im Herbst geschehen, hätte der Nachwuchs kaum Chancen, genug Fett- und Nahrungsreserven anzulegen.

Dieses Überlappen von Still- und Tragzeit war unter kleinen Säugetieren bisher nur bei kurzlebigen Arten wie Mäusen, Ratten oder Kaninchen bekannt. Claudia Franceschini fand heraus, dass es den Hamsterweibchen einen hohen Erfolg garantiert. Bis zu 15 Junge pro Jahr konnten sie zur Welt bringen, wenn sie den Aufwand der Überlappung auf sich nahmen. Interessanterweise waren es nur die Frühaufsteherinnen, die diese Strategie wählten. Weibchen, die erst Anfang Mai aus dem Erdloch krochen, warfen nur einmal pro Jahr.

Aus evolutionsbiologischer Sicht fragt man sich, warum nicht alle Weibchen früh aufstehen und die Still- und Tragzeit überlappen, wenn dies zu erhöhtem Fortpflanzungserfolg führt. "Frühes Frühlingserwachen ist ein hohes Risiko für das Individuum", antwortet Franceschini. Wer im März herauskriecht, riskiert, wenig Nahrung zu finden, in kalten Spätwinternächten zu erfrieren oder wegen fehlender Versteckmöglichkeiten in der spärlichen Vegetation ein leichtes Opfer für Räuber zu werden. Daher hat sich in Hamsterpopulationen ein Gleichgewicht etabliert zwischen Frühaufsteherinnen, die für eine große Nachwuchsschar ein hohes Risiko eingehen, und den sichereren Langschläferinnen, die als Individuum höhere Überlebenschancen haben, jedoch pro Jahr nur bis zu sechs Junge in die Welt setzen können.

Die Presse.com - Meldung vom 13.11.2006

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