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Trauer um Prof. Rolf Gattermann, Halle

Wir sind sehr betroffen, dass er viel zu früh und plötzlich aus unserer Mitte gerissen wurde und sehr traurig, dass er ging, aber außerordentlich dankbar, dass es ihn gab.
Dankbar sind wir für sein Wirken als Hochschullehrer und Wissenschaftler am Institut für Zoologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er hat viel bewegt und wollte noch viel bewegen. Wir vermissen ihn sehr.

Rolf Gattermanns wissenschaftliche Leidenschaft galt innerhalb der Zoologie insbesondere der Verhaltensbiologie. Er wurde am 10. Juli 1949 in Groß-Börnecke, einem kleinen Ort in der Magdeburger Börde geboren. Schon als Kind sammelte er intensive Erfahrungen mit der einheimischen Fauna. Gern erzählte er später vom Ausgraben und Fangen der damals noch sehr häufigen Feldhamster (Cricetus cricetus), womöglich prägende Erlebnisse für sein weiteres Leben als Verhaltensbiologe. An den Besuch der 8-klassigen Grundschule in seinem Heimatort schloss sich eine 4-jährige Oberschulzeit in Egeln an, an deren Ende er neben dem Abitur gleichzeitig das Facharbeiterzeugnis als Imker erwarb. Im gleichen Jahr wurde Rolf Gattermann für ein Biologie-Direktstudium an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zugelassen. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen erhielt er die Möglichkeit ein 3-jähriges Forschungsstudium zu absolvieren, das er 1975 als Diplom-Biologe erfolgreich beendete. Während dieser Zeit arbeitete er an seiner Dissertation über „Circadiane Muster einiger Gebrauchshandlungen und hämatologischer Parameter des Kaninchens“, die er bereits 1976 vorlegte, woraufhin er zum Dr. rer. nat. promoviert wurde. Ein Jahr zuvor erhielt er eine Assistenz-Stelle an der Pädagogischen Hochschule Köthen im Wissenschaftsbereich Zoologie.

Zu dieser Zeit begann er mit den Arbeiten am Syrischen Goldhamster, der sich aufgrund seiner stabilen biologischen Rhythmik als Versuchstier empfahl. Umfangreiche Untersuchungen zur Chronobiologie und Verhalten des Goldhamsters schlossen sich an, deren Resultate zum Beispiel 1984/85 in einer vierteiligen Arbeit zur Rhythmik des Goldhamsters in den Zoologischen Jahrbüchern für Physiologie erschien. Der Goldhamster war auch Gegenstand seiner Habilitationsschrift „Die Biorhythmik des Syrischen Goldhamsters (Mesocricetus auratus WATERHOUSE 1839) und ihre mittelbare Nutzung als Indikator subletaler Belastungen“, die er 1981 vorlegte. Er erhielt daraufhin den Dr. sc. nat. sowie die Facultas docenti, die ihn zur eigenständigen Lehrtätigkeit an Hochschulen berechtigte. Zu Beginn des Sommersemesters 1985 kehrte Rolf Gattermann wieder an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zurück, um eine Hochschuldozentur für Zoologie aufzunehmen, in deren Rahmen er Vorlesungen und Praktika zur Verhaltensbiologie anbot. Diese Veranstaltungen erfreuten sich regen Zulaufs, der nicht nur in der allgemeinen Attraktivität dieser Wissenschaftsdisziplin begründet war. Vielmehr war es die besondere Fähigkeit und das Charisma Rolf Gattermanns, die viele Studierende für sein Fach begeisterte.

Eine Folge der allgemeinen Evaluation, die mit den gesellschaftlichen Umbrüchen von 1989/90 einherging, war die Würdigung der soliden und international beachteten wissenschaftlichen Leistung Rolf Gattermanns durch die Vergabe einer C4-Professur für Allgemeine Zoologie mit Schwerpunkt Verhaltensbiologie an der halleschen Universität im Jahre 1994. Schon 1990 wurde er von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Instituts für Zoologie zu dessen Direktor gewählt, eine Funktion die er bis 1995 ausübte. Trotz großer Unsicherheiten in der Wendezeit gelang es Rolf Gattermann, umsichtig und beharrlich das Institut sogar gestärkt aus diesen Wirrnissen zu führen. Dabei muss an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass er einer der wenigen ostdeutschen Forscher war, insbesondere in der Biologie, die Lehrstühle im wiedervereinigten Deutschland besetzen konnten. Er hat darüber hinaus in der Folgezeit durch seine Mitarbeit in den Koordinierungsgremien der Biologischen Fachbereiche Deutschlands die Weiterentwicklung von Forschung und Lehre an den deutschen Universitäten kritisch und zugleich konstruktiv begleitet.

Die Verbreitung und Diskussion seiner wissenschaftlichen Ergebnisse beförderte Rolf Gattermann durch die aktive Teilnahme an vielen Tagungen zur Zoologie, Tierphysiologie, Chronobiologie und Verhaltensbiologie. Darüber hinaus organisierte er gemeinsam mit Hallenser Kollegen internationale Tagungen zu diesen Schwerpunkten. Höhepunkte waren das III. Deutsch-Sowjetische Symposium „Chronobiologie-Chronomedizin“ mit Teilnehmern aus osteuropäischen Ländern sowie Westeuropa und den USA, das 16. Ethologentreffen (ein Schwerpunkt: Zeitstrukturen des Verhaltens) sowie die 95. Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft, die mit großem Erfolg jeweils in Halle stattfanden.

Mehr als 100 Artikel für wissenschaftliche Zeitschriften, Bücher und Tagungsbände stammen aus der Feder von Rolf Gattermann. Über 60 Diplomanden und 9 Doktoranden bzw. Habilitanden schlossen unter seiner Betreuung ihre Arbeit ab. Buchklassiker sind Rolf Gattermanns „Verhaltensbiologisches Praktikum“ sowie das unter Mitarbeit von Koautoren verfasste „Wörterbuch zur Verhaltensbiologie der Tiere und des Menschen“, das erst kürzlich in zweiter, insbesondere den Fortschritten der Soziobiologie Rechnung tragender Auflage erschienen ist. Darüber hinaus war ihm der Wissenstransfer insbesondere zu Lehrerinnen und Lehrern als auch zur interessierten Öffentlichkeit ein wichtiges Anliegen, dem er mit großem Enthusiasmus und ebensolchem Erfolg nachkam.

Rolf Gattermann war Mitglied von 10 wissenschaftlichen Gesellschaften, wobei insbesondere die Wahl zum ordentlichen Mitglied der der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig (Mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse) im Jahre 2003 hervorzuheben ist. Seine umfangreichen Erfahrungen konnte er als Mitglied des Senatsausschuss Evaluierung der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) ab 2004 gestaltend einbringen. Nachdem er gleich nach der Wiedervereinigung Deutschlands der Ethologischen Gesellschaft beitrat, wurde er 1994 in deren erweiterten Vorstand gewählt und hatte von 1997 bis 2004 die Funktion des Geschäftsführers inne. Diese ehrenvolle Aufgabe nahm er, wie alles, sehr ernst. So ließ er es sich nicht nehmen, die Mitgliederliste mit Hilfe aktueller Software zu ordnen und zu rationalisieren.

Beeindruckend war die Effektivität in Rolf Gattermanns Arbeitsstil sowie sein Ideenreichtum. So wurden seine Assistenten auf Exkursionen ab 6 Uhr durch Schreibmaschinengeklapper bei der Arbeit an seinem Buch zum Praktikum Verhaltensbiologie geweckt, da er die Zeit bis zum Exkursionsbeginn 8 Uhr nutzen wollte. Diplomanden, Doktoranden und Mitarbeiter profitierten von seinen Einfällen bei der Verbesserung ihrer Versuchsprogramme. Studenten lobten die Übersichtlichkeit und Klarheit seiner Vorlesungen. Sein Organisationstalent zeigte sich insbesondere in der Funktion als Dekan des Fachbereichs Biologie, die er von 1998 bis 2003 innehatte. Die straff geführten Sitzungen des Fachbereiches sowie die vorbildliche Organisation des Dekanats gelten als Maßstab für seine Nachfolger. Ständig auf der Suche nach innovativen Arbeitsmethoden wurden unter Rolf Gattermanns Leitung in seiner Arbeitsgruppe moderne, computergestützte Techniken der Verhaltensbeobachtung eingeführt. Trotz einer Fülle von täglichen Aufgaben hatte Rolf Gattermann keine speziellen Sprechzeiten und war selbst persönlichen Problemen von Kollegen und Studierenden stets aufgeschlossen. Für seine Mitarbeiter setzte er sich vehement ein und versuchte besonders unter sozialem Aspekt stets die optimale Lösung zu finden.

Neben dem Goldhamster galt Rolf Gattermanns Interesse zunehmend der gesamten Unterfamilie der Cricetinae, wobei er besonders in den letzten Jahren erkannte, dass viele Versuchsergebnisse im Labor einer ergänzenden Feldforschung bedürfen. Aufenthalte in den Verbreitungsgebieten der Hamster in Russland, Bulgarien, Syrien, China und der Türkei liefern erste, teilweise überraschende Erkenntnisse zu Verhalten und Soziobiologie dieser Kleinsäuger. Zwei Bücher über die Biologie der Cricetinae standen kurz vor ihrer Vollendung. Es wird eine ehrenvolle Aufgabe seiner Mitarbeiter sein, diese Arbeit inklusive der durch Rolf Gattermann geknüpften und gefestigten Kooperationen mit ausländischen Kollegen in seinem Sinne fort zu führen.

Es war für uns Kollegen schockierend, vier Wochen vor dem Tod aus seinem Munde die Diagnose Pankreaskarzinom im fortgeschrittenen Stadium zu erfahren, die er uns mit der ihm eigenen sachlichen Art mitteilte. „Ich bin Naturwissenschaftler und so ist nun mal die Situation, ich werde eben den Altersschnitt drücken…“. Rolf Gattermann hinterlässt eine Frau, zwei Töchter und eine Arbeitsgruppe, die versucht in seinem Sinne weiter zu wirken.

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